Warum meine Kinder dreckig ins Bett dürfen

FullSizeRender Tobende, weinende, verzweifelte Kinder unter der Dusche abends um halb zehn -muss das sein? Es ist Sommer. Es ist warm. Auch meine Kinder spielen laaaaange draußen. Wenn ich sie dann endlich kurz vor der Dämmerung reinhole, haben sie Hunger; nach dem Essen sind sie müde.

Und dann beginnt in vielen Familien der Kampf. Tobende, weinende 2-6Jährige werden im Halbdunkel noch geduscht, es werden Haare gewaschen und Zähne geputzt – ob sie wollen oder nicht. Wenn ich das mitkriege, frage ich mich oft: Muss das sein? Wendet es eine Not? Hat das wirklich was mit Tyrannen, mit Trotzphase, mit Machtkampf zu tun? Muss ich hier Leitwolf sein und mich durchsetzen mit dem Waschlappen, abends um halb zehn?

Ich habe für mich beschlossen: Nein. Meine Kinder dürfen auch dreckig ins Bett. Wenn ich es verpasse, sie zu dem Zeitpunkt zu waschen, wenn sie noch in der Lage sind zu kooperieren, dann habe ICH es verpasst. Und dann beziehe ich im Zweifelsfall eben morgen die Betten neu. Oder ich mache nur das Nötigste sauber, was ich eben noch sauber machen darf (Hände warm abreiben? Füße in ein warmes Fußbad? Kurz mal die Marmelade vom Mundwinkel wischen?). Oder ich warte, bis sie schlafen und kratze dann sanft die gröbsten Krusten ab. Nur was was geht – der Rest eben nicht.

Ich meine – davon geht die Welt nicht unter. Vor allem geht sie davon viel weniger unter als wenn ich die Kinder mit Gewalt waschen würde. Denke ich. Hab ich noch nie getan. Aber schon oft gehört – auf Campingplätzen, in Schwimmbadduschen, in Hotelzimmern nebenan…

Wir putzen auch nicht mit Gewalt Zähne, auch dann nicht wenn die Kinder am Strand noch zwei Eis gegessen haben. Wenn ich es versäume, die Zahnbürsten einzupacken und gleich zu putzen und stattdessen nach dem Abendessen im Strandrestaurant zu Hause um halb neun abends von zwei müden Kindern Kooperation verlange, dann habe ICH es falsch geplant – denn ich war den Kindern nicht einen Schritt voraus, sondern einen hinterher. Dann putze ich eben morgen früh besonders gründlich.

Nach acht Jahren Selbstversuch (mit viiiel Sand, Erde, Wald, Harz, Eis und Matsch) kann ich sagen: Meine Kinder müssen nicht täglich baden. Wirklich nicht. Auch nicht, wenn sie dreckig sind. „Erde ist nicht gefährlich.“ schreibt Julia in unserem neuen Buch „Slow Family“. Recht hat sie!

Was ist wichtiger, saubere Füße oder Lächeln beim Einschlafen? Ich habe mich für das Lächeln entschieden.

Gleichzeitig – ihr kennt mich: Über Sicherheit diskutiere ich nicht. Baden ist optional, Zeckencheck nicht! Aber auch der ist meine Aufgabe: Entweder ich mache das so früh, dass die Kinder noch willig mitmachen. Oder ich muss ein Spiel draus machen, wenn sie eigentlich schon „drüber“ sind. Oder ich mache es „nebenbei“ beim Ausziehen-Helfen. Oder ich muss es wohl oder übel mit der Taschenlampe machen, wenn sie tief schlafen.

Kurz: Für unsere Sommer gilt, dass meine Kinder nicht die Suppe auslöffeln, die ich uns einbrocke. Wenn ich von Ihnen Kooperation verlange, dann müssen sie auch noch kooperieren können. Nach einem 12-Stunden Sommertag und üppigem Abendessen ist das nicht der Fall. Und muss es auch nicht. Und dann schaue ich meine lächelnden, Bolzplatz-Strand-Wald-Baum-Erde-Kinder mit ihren schwarzen Gesichtern und fleissigen Händen mit den braunen Fingernägeln an, wie sie da liegen und vertrauensvoll schlafen… und ich bin jedes Mal froh, dass mir das Kind wichtiger war als das Laken.

Eure Nicola